Die asiatischen Kampfsportarten kamen ursprünglich über den Pazifik in die USA. Natürlich spielt die Stationierung der GIs auf Okinawa eine der größten Rollen hierbei, aber Hawaii gebührt mehr Aufmerksamkeit als bisher allgemein angenommen wurde. Als die Asiaten, hauptsächlich Japaner und Chinesen, nach Hawaii kamen um dort auf den Plantagen zu arbeiten, brachten sie auch ihre Traditionen und ihre Kultur mit. Hierzu gehörte untrennbar auch die jeweilige Kampfkunst.
Bis zum Ausbruch des Vietnamkrieges blieben die Asiaten und mittlerweile die Hawaiianer größtenteils unter sich, aber dann kamen die Bewohner der anderen 48 Bundesstaaten dazu, sie wurden auf den Inseln stationiert, kamen bei dieser Gelegenheit mit der Kampfkunst in Berührung und nahmen ihn nach Beendigung ihrer Dienstzeit mit nach Hause.
Aufgrund dieses unaufhaltsamen „Imports“ war die Kampfkunst in den asiatischen Vierteln wie „Chinatown“ oder „Little Japan“ kein Geheimnis mehr, so dass die Asiaten jetzt Schulen eröffneten, die für alle, auch Iteki und Da Bize (jap. für Barbaren und chin. für Langnasen) zugänglich waren.
Viele amerikanische Teenies, die sonst das gute alte Boxen erlernt hätten, warfen sich in Karategis oder Kung-Fu Uniformen, murmelten bei allen Gelegenheiten „Ossu“, „Sifu“ oder „Sensei“ und diskutierten die existenzielle Frage: „Was ist besser, westliches Boxen oder eine der fernöstlichen Kampfkünste?“
Man setzte auf den Kung-Fu- bzw. Karatekämpfer, weil dieser zusätzlich zu seinen Händen auch noch seine Füße hatte …!
Beim ersten reellen Vergleichskampf in den USA fing der Boxer einen Tritt auf und schlug den, jetzt einbeinigen, Kämpfer ko! Der Zweifel war gesät, wozu die ganze Esoterik – besser doch die gute alte Boxschule? Würde bei einem richtigen Kampf nicht doch immer der größere, stärkere Kämpfer gewinnen?
Cagefightings, die sogenannten „Käfigkämpfe“, kamen plötzlich schwer in Mode, professionelle Kämpfer droschen gegenseitig bis zum KO aufeinander ein. „Ground and Pound – Erden und Hämmern“ hieß das neue Motto.
Der Kampf war noch da, aber wo war die Kunst geblieben? Saßen die Asiaten nicht schon längst auf leeren Schatztruhen, konnten sie das Ansehen der Kampfkunst noch retten? Die Rettung kam, aber nicht aus Asien sondern aus einer völlig anderen Ecke des Erdballs – Brasilien.
Vorhang auf – Auftritt: „The Gracie Family“
Jigoro Kano war es leid, dass das Judo im Mutterland Japan unterschätzt wurde, getreu dem Motto „der Prophet im eigenen Land ist nichts wert“ schickte er seine Schüler in die Welt hinaus. Einer davon war Maeda „Conde Koma“ Mitsuyo, ihn verschlug es nach Brasilien und hier traf er auf die Brüder Carlos und Helio Gracie. Die Gracies nannten das, was sie von Maeda Sensei erlernten nicht mehr Judo, sondern Brazilian Jiu-Jitsu. Sie verlagerten den Kampf auf den Boden und das Ganze war wieder eine Frage der Technik und nicht ausschließlich der Kraft. Das Wort Kunst in dem Begriff Kampfkunst war wieder mit Inhalt gefüllt!
In den 90ern kam Royce Gracie nach Kalifornien um seinem älteren Bruder beim Eröffnen einer Schule zu helfen. Kurz darauf boten die Gracies jedem 100.000 amerikanische Dollar, der Royce im Ring schlug. Keinem gelang es. Royce ging mit ihnen zu Boden und setzte Arm-, Bein- oder Fußhebel ein oder wendete eine Würgetechnik an und der Kampf war gelaufen. Die Ultimate Fighting Championships, kurz UFC, waren geboren.
Die alte Frage war wieder da: „Welche Kampfkunst ist die Beste?“ Die Gracies organisierten diese Meisterschaften im KO-System und alle konnten teilnehmen: Judoka, Wrestler, Boxer, Muay-Thai-Kämpfer, Karateka, Kung-Fu-Stilisten, Capoeirista und…und… und. Royce Gracie besiegte sie alle und zeigte damit, dass man gegen einen größeren und schwereren Gegner doch nicht machtlos war, es gab ja Brazilian Jiu-Jitsu und die Gracie Familie und ihre Cousins, die Machados, taten alles um dem BJJ zu seiner Größe zu verhelfen. Zu der alten Frage gesellte sich nun eine neue: „Ist BJJ zu schlagen? Und wenn ja, wie?“ – „Ich muss lernen den Jiu-Jitsu Kämpfer zu schlagen bevor er mit mir in den Boden geht, aber wie?“ Die Antwort lautete: „MMA – Mixed Martial Arts“! Hier wurde alles integriert, was Erfolg versprach: Techniken aus dem Wrestling, dem Boxen, dem Jiu-Jitsu, dem Muay-Thai, dem Kyokushinkai-Karate etc. pp. – und zwar alles in sinnvollen Kombinationen miteinander verbunden.
Damit wären wir wieder bei dem angelangt, was die alten asiatischen Kampfkunstlehrer schon immer sagten: „Benutze das, was in genau diesem Augenblick des Kampfes den Kampf für Dich entscheidet.“ – und was Bruce Lee in moderaten Worten ausdrückte indem er sagte: „Absorb what´s usefull“.
Maeda Mitsuyo
Helio Gracie gegen Taro Miyake in den 30er Jahren
verfasst von Jörg Kuschel, Quellenangaben:
Private Aufzeichnungen und Wikipedia