Die italienische/sizilianische Fechtkunst

Aus der Zeit des berühmten Freischarenzugs Ostsiziliens, in dem Giuseppe Garibaldi 1860 die Bourbonenherrschaft auf der Insel stürzte, stammt der Spruch: „Buon sangue non mente!“ (Gutes Blut lügt nicht!)

Gesagt haben soll ihn Salvatore Greco dei Chiaramonte. Er wird als Begründer der italienischen Fechttradition der Greco gesehen. Salvatore Greco dei Chiaramonte war ein sogenanntes „Rothemd“, ein Garibaldiner, geboren Anno 1835 in Catania, er kämpfte mit Garibaldi zusammen am Volturno und auf dem Aspromonte. Man nannte ihn auch den Garibaldi Siziliens.

Der ausgeübte Fechtstil dieses Revolutionärs, Kriegers und Doktors der Chemie war naturgemäß geprägt von den vorherrschenden militärischen Anforderungen. Zu dieser Zeit mussten all die Waffen benutzt werden, die einem zur Verfügung standen: Kavalleriesäbel, Pistolen, Bomben, Bajonette, Geschütze, Gewehre, selbst so unedle Waffen wie Knüppel und Messer. Die Duellwaffe, der Degen und das Florett hatten im Krieg überhaupt nichts zu suchen. Derjenige der dem italienischen Degen und dem Florett zur Blüte verhalf war der Sohn Salvatores, Agesilao Greco. Er focht ein Leben lang nach dem Prinzip: „Ihr müsst dem Gegner euren Fechtstil aufzwingen, er muss nach euren, nicht nach seinen Bedingungen fechten.“

 

Fechten kann definiert werden als eine Kunst des Lebens (Ars vivendi). Es besteht aus einer Auseinandersetzung zwischen zwei Individuen welche einer Kunst nachgehen die sich definiert aus Psychologie, Mathematik, Technik, Geometrie und auch Anatomie. Es gilt hierbei zu treffen, ohne selbst getroffen zu werden. Die Kunst des Fechtens wurde dazu benutzt die Söhne des Adels und des Hochadels in den Tugenden wie Respekt, Achtung, Ritterlichkeit, Ehrenhaftigkeit und Höflichkeit zu unterweisen. Hierzu gehörte aber auch gegebenenfalls die Erzwingung des Respekts bezogen auf die eigene Person und damit wären wir beim Duell!

In der Tat waren die Duelle des 17. und 18. Jahrhunderts keine rüden Schlägereien zwischen Rüpeln, sondern es waren ritterliche Auseinandersetzungen, die bestimmten Regeln folgten. Bei manchen Gelegenheiten mussten sie auch herhalten, um sogenannte Gottesurteile zu fällen, welche aber nie eins waren, denn Gott half oft nicht demjenigen der im Recht war und so verlor gerade der. So macht der Satz, der auf manchen französischen Schwertern („Si le coeur te faut ne te fie pas de moi!“) oder italienischen Stockdegen („Non ti fidar di me se il cor ti manca!“) eingraviert war, Sinn: Verlass Dich nicht auf mich, wenn Dir das Herz fehlt!

Die Angst vor Duellen war oftmals für Leute ein starkes Motiv einen Waffenmeister aufzusuchen um das Fechten zu erlernen. Der Maestro d´Arme unterrichtete jedoch keine Art des Fechtens, die dazu geeignet war den Gegner zu töten, sondern seinem Gegenüber im Kampf sowenig Schaden wie möglich zuzufügen. Weder der Duellant noch der Waffenmeister mussten sich so nach einem beendeten Duell mit Gewissensbissen auseinandersetzen. Im 17. und 18. Jahrhundert gab es königliche Edikte, welche die Anzahl der Waffenmeister und die damit verbundenen Eröffnungen von „Salle d´Armes“ (Waffensälen) begrenzten.

Als Sport ist das Fechten in der heutigen Zeit nur noch ein Schatten seines einstigen Selbst. Das Sportfechten hat Strategien kultiviert, die in einem Duell nicht zu gebrauchen wären. Ein Coup Fourré, also ein Kampf bis zum „ersten Blut“, wäre genau so unmöglich wie ein Kampf bis zum „letzten Blut“. Ein Touché mit einer richtigen Waffe ist nicht zu vergleichen mit einem Punkt-Treffer einer elektronischen Waffe.

Eine Florettklinge ist imstande eine leichte oder eine sehr schwere, wenn nicht gar tödliche, Verletzung zu verursachen. Beim elektronischen Florett schließt sich der Stromkreis auf jeden Fall, unabhängig von der Intensität der Berührung. Das Fechten hat damit seinen ursprünglichen Charakter verloren und ist zu einem elektronischen Spiel geworden. Somit hat es auch sein Wesen eingebüßt, nämlich „treffen, ohne getroffen zu werden“. Wie auch in den asiatischen Kampfkünsten gehen somit Wettkampf und die damit verbundene Einstellung zu Lasten der Kunst.

Der sportliche Geist schließt die Aufmerksamkeit des Schülers gegenüber dem des Meisters aus. Dadurch wird der Meister degradiert zum Träger des technischen Wissens und sein menschliches Wissen wird negiert. In der Fechtschule „Academia d´Armi Aurelio Greco“ ist der Lehrer sowohl Meister, Freund, Berater als auch Vertrauter. Der Begriff des Vaters für den Lehrer wird vermieden und durch den Begriff Onkel ersetzt.

Wenn ein Mensch das Fechten erlernen will, bedarf es einer ganz wesentlichen Eigenschaft die man für das Fechten nutzen kann und zwar eine besondere Empfindsamkeit. Es spielt keine Rolle, ob der beginnende Fechter dick oder dünn, klein oder groß ist. Es gibt auch dicke Leute, die außergewöhnlich schnell und geschickt sind und es gibt kleine Leute, die langsam sind. Alles ist eine Frage der Reflexe, Nerven und psychologischen Faktoren und es liegt am Meister diese zu entdecken und zu entwickeln. Wie bei den fernöstlichen Kampfkünsten, bei denen die Körpermitte als Quelle der Bewegung gilt, so ist auch beim Fechten der gesamte Körper an den Aktionen beteiligt.

Hier einige Ausdrücke, die in der „Academia d´Armi Aurelio Greco“ während des Unterrichts benutzt werden:

„Ferro in linea“ – Die Waffe in der Linie
Dies ist die Position des gestreckten Arms, sie bedroht die Brust des Gegners. Ist der Arm in dieser Position gebeugt, so kann er immer noch in Linie sein, er deutet aber eine Öffnung an, die den Gegner dazu verführen soll anzugreifen.

„Braccio in linea“ – Ausgestreckter Arm
Ein Konzept das seit den Anfängen der Greco-Schule existiert und sich auch in ihrem Schulwappen wiederfindet. Der ausgestreckte Arm weist mit der Waffe in gerader Linie auf einen Puma, der aus Angst den Kopf abwendet. Der ausgestreckte Arm folgt dem Gegner wohin er sich auch bewegt und hindert ihn am Angriff.

„Guardia Larga“ – die breitere Auslage
Bei dieser Auslage handelt es sich schon fast um einen Ausfall. Macht man sie aber zu breit, kann man nicht mehr zustoßen, weil die eigene Position zu gestreckt ist. Führt man sie jedoch zu klein aus und kommt so dem Gegner zu nahe, kann man die Spitze der eigenen Waffe nicht mehr zu dessen Brust führen, zugleich läuft man Gefahr in die gegnerische Klinge zu laufen.

„Bicolpo“ – Doppelstoß
Der Doppelstoß ist ein Simultankonglomerat aus Angriff und Verteidigung. Diese Technik war die Antwort auf den Stoß eines Angreifers, wobei dieser anschließend in die Klinge des Verteidigers lief.

„Formare la mano“ – Die Erziehung der Hand
Hierbei trainiert man die Hand sich im richtigen Moment zu öffnen oder zu schließen. Sie schließt sich wenn der Stoß ausgeführt wird und man schließt sie wenn man pariert. Zwischen einem ausgeführten Stoß und einem parierten Stoß entspannt man die Hand.

„La botta segreta“ – Der Geheimstoß
Dieser Stoß wurde früher bei echten Duellen benutzt. Er brachte den Gegner um ohne dass dieser sagen konnte was ihn getroffen hatte. Dies konnte er ja auch nicht mehr, denn er war ja tot. Darum war der Stoß auch so geheim, weil der Gegner nicht davon berichten konnte was er erlebt hatte.

„Difesa invincibile“ – unüberwindbare Verteidigung
In seinem Fechtbuch „La spada e la sua applicatione“ (Der Degen und seine Anwendung) spricht Enzo Musomeci Greco von der “undurchdringlichen” bzw. “unüberwindbaren Verteidigung”. Sie gilt unmittelbar für den Degen. Degen, Florett und Säbel werden unterschiedlich eingesetzt. Das Florett zielt nur auf die Brust, der Säbel deckt den ganzen Körper ein, mit Ausnahme der Beine. Der Degen hat alle Teile des Körpers zum Ziel. Die Spitze des Degens wird über den Rand der Glocke anvisiert, somit entsteht ein Konus der das vom Gegner anvisierte Ziel verteidigt. Dies nennt man auch die Linie des bewaffneten Arms. Hierdurch wird der Degen zu einer sogenannten Kampfwaffe, während Säbel und Florett zu den konventionellen Waffen zählen.

Schließen möchte ich diesen kurzen Exkurs mit einem Spruch aus dem Film „Scaramouche“, der Gültigkeit besitzt für alle Kampfkünste bei denen Waffen verwendet werden:

„Der Degen ist wie ein Vogel:
Hältst Du ihn zu fest, erstickt er,
hältst Du ihn zu locker, fliegt er davon.“

verfasst von Jörg Kuschel, Quellenangaben:
Martial Arts Nr. 9
Ausgabe Aug./Sept. 1988

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